Skandinavien-Tour mit Biggi


Jaja, auch wir träumen alle davon, nur mit Rucksack auf 2 Beinen in der Wildnis unterwegs zu sein, ursprünglich, unberührt, nur die Natur und wir. Und ja, das ist auch mein Ziel für das nächste Mal! Mit RotelTours konnte ich dieses Mal jedoch „3 Fliegen mit einer Klatsche“ erledigen:

Das Reiseziel Skandinavien ist sehr groß und vielfältig, die Natur und Landschaft einfach grandios und eben auch sehr weitläufig. Zu Fuß ist mein Radius – auch bei allerbester Ausrüstung - jedoch eher begrenzt, so dass sich als erste Orientierung eine Rundreise angeboten hat. Man muss Schwerpunkte setzen, weil man einfach nicht unendlich Zeit. Dazu bekommt man immer auch Unmengen an nützlichen und interessanten Informationen über die Länder, Kulturen und ihre Menschen, so dass ich mich beim nächsten Mal bestens vorbereitet bin und mich ganz auf meinen Outdoor Trip konzentrieren kann und jetzt auch genau weiß, welche Orte ich für mich zu Fuß entdecken will.

Dazu kommt, dass RotelTours einige interessante und touristisch unentdeckte Reiseziele im Angebot hat und auch als Wanderreisen durchführt.

Und die dritte „Fliege“: Ich werde für meine Ersterkundung und Vorbereitung auch noch bezahlt – besser geht nicht!

Und los geht’s: Skandinavien – Nordkap – Oslo

Zwei Traumländer im Norden Europas mit einzigartiger und zu großen Teilen völlig unberührter Natur: Finnland und Norwegen. Finnland lockt mit unendliche Seen- und Waldlandschaften, Taiga, Tundra und…Mücken. Mücken. Mücken. Das Nordkap ist für Mücken eher nicht bekannt, dafür kann es dort aber auch im Sommer ziemlich kalt und nass sein. Kann, muss aber nicht. Gleiches gilt für die Lofoten.

Norwegen scheint mit seinen Fjordlandschaften mückentechnisch eher unkompliziert zu sein, denn die Plagegeister finden den Wind dort nicht so toll. Im Gegensatz zu mir.

Für diese Reise habe ich mich bei NatureOn eingedeckt:  
•    Anti-Mück Spray, 100 ml
•    Brettschneider Vampiröl, 20 ml
•    Anti-Mück Roll-on Stift, 10 ml (für danach)
•    Anti-Mück Textilspray, 100 ml
•    Anti-Zeck Zeckenzange (sollte in Eurer Erste-Hilfe-Tasche immer dabei sein!)
•    Atchi Faltrucksack 22 ltr. (Ihr wisst schon, kleines Gepäck und eine Tagestour steht an…)
•    SunnyBag Powerbank 10000mAh (für alle Fälle)
•    COCOON Air Core Pillow ultralight (weil es nie passende Kissen gibt)
•    Reisehandtuch 60x180 cm mit Bambus Aktivkohlefasern (schön groß)
•    GRAYL Geopress Purifier Wasserfilter (Nie ohne !)
•    Rywan Bi Climasocks Anti-Blasen Wandersocken

In meinem Handgepäck (40 ltr. Koffer + 25 ltr. Rucksack) findet sich folgendes:
•    Mütze
•    Handschuhe
•    Halswärmer
•    Daunenjacke
•    Fleecepullover
•    Je 3x Merino-Shirts kurz und lang
•    2x Merino-Boxershorts
•    Merino Caprihose
•    Lange Wanderhose m. Zipp
•    Moskitonetz (für den Einsatz in der Schlafkabine des Busses – Ihr wißt schon: Mückenalarm)
•    Erste-Hilfe-Tasche
•    Unterwäsche
•    2 Paar Wandersocken
•    Daunenweste
•    Barfußschuhe
•    Merino-Halbschuh
•    Stoffhose

Altbewährter Tipp: Tragen werde ich im Flieger meine Wanderschuhe, eine Wanderhose, Merino-Shirt, Fleece und Hardshelljacke. Also die  großen, „schweren“ und stauraumintensiven Teile.

Ankunft in Helsinki

Fliegen in Post-Corona Zeiten ist schwierig, hieß es. Gründe hierfür sind die verringerten Mitarbeiterzahlen in Flughäfen und -gesellschaften; Also besser 3 Std. vor Abflug vor Ort sein. Vor mir liegt eine Tour, die mich ab Helsinki über das Nordkap und Lofoten bis nach Oslo führen wird. Wir reden hier von fast 5000 km Fahrstrecke in 17 Tagen. Der Flug ist ruhig, wir haben strahlenden Sonnenschein in Helsinki, die Landung des ausgebuchten Fliegers ist butterweich. Der Flughafen in Helsinki ist sehr überschaubar, schnell ist das Gepäck gefunden und der Reiseleiter erwartet uns schon. Helsinki, die Hauptstadt Finnlands, ist eine kleine, überschaubare Stadt mit einem schön angelegten, zentralen Park, der von Cafés und Geschäften gesäumt ist. Das Thermometer zeigt 20° und eine frische Brise vom Hafen bläst den Kopf frei nach Flughafen und Flugzeug (mit Maske). Die Markthalle ist sehenswert und die angebotenen Köstlichkeiten sehen lecker aus. Süßes scheint hoch im Kurs zu stehen (was später auch in Norwegen auffallen wird). Aber Vorsicht beim Genuss im Freien, denn auch hier werden die Möwen ihrem Namen als Raubvögeln gerecht! Dann geht`s zum Campingplatz, wo unser rollendes Hotel darauf wartet, aufgebaut zu werden. Schnell findet sich eine Gruppe, die diese Arbeit übernimmt und bis zum Ende der Tour fortführt.  Zubereitet in der bordeigenen Küche gibt es anschließend Abendessen. Wenn man in der Gruppe reist, ist gemeinsames Anpacken natürlich Ehrensache!

Endlich ist Freizeit angesagt und ich gehe Richtung Wasser, endlich in Kontakt mit der Natur. Mutig stecke ich meine Füße in das seichte Wasser: Uuuuh, Nordsee-mäßig, fühlt sich noch sehr nach Frühling an. Aber nicht für die Finnen: Sie baden, tragen kurze Hosen und haben Sommer-Feeling!  Dann gleich der nächste Kontakt mit der Natur: Die finnische Tierwelt – repräsentiert durch Myriaden von Mücken! Ganz toll. Zum Glück habe ich mich mit den passenden Produkten eingedeckt, die tatsächlich auch wirken, nicht kleben und auch nicht aufdringlich riechen. Tja, gute Vorbereitung ist wichtig!

Durch die südfinnische Landschaft: Von Helsinki nach Lisalmi

Mit einer Gruppe unterwegs zu sein heißt …Oropax dabei zu haben! Dann klappt das auch mit der Nachtruhe. Der nächste wichtige Punkt: Frühstück! Wie in vielen anderen Ländern auch ist die Brotauswahl in Finnland nicht mit unserer vergleichbar, so dass es eher helle Sorten gibt, dazu Marmelade, Käse, Wurst, Müsli, Frischkäse, Tee und Kaffee.

Jetzt muss ich mich outen: Ich war noch nie in Skandinavien und Finnland war für mich ein weißer Fleck auf der Landkarte. Klar, es teilt sich eine lange, grüne Grenze mit Russland; dass es dort Wälder und Seen und, im Sommer, unzählige Mücken gibt, die Finnen generell als große Schweiger gelten und die Selbstmordrate hoch ist; dass es Alkohol nur in speziellen Geschäften gibt und dieser auch noch teuer ist, um dem übermäßigen Konsum vorzubeugen. Aber dort zu sein und es selber erleben und mit allen Sinnen aufnehmen, deswegen bin ich jetzt hier.

Wir rollen entspannt auf guten, erstaunlich wenig befahrenen Straße Richtung Kuopio. Es regnet anhaltend. Auffällig sind die 2 m hohen Zäune links und rechts der Straße, die die frei herumlaufenden Rentiere davon abzuhalten sollen, auf die Straße zu laufen. Das klappt nicht immer und so warnen permanent Schilder vor dieser Gefahr. Aber noch entziehen sie sich unseren Blicken. Die Landschaft ist flach, dicht bewaldet und wird von Wasserflächen unterbrochen, die aufgrund des moorigen Untergrundes und der durch die Bäume eingebrachten Biomasse eine bräunliche Färbung aufweisen. Der Waldboden ist satt grün.

In Kuopio angekommen besteigen wir ein kleines Boot und schippern auf einem der zahlreichen Seen, dem Kallavesi, der zehntgrößte von über 187.888 – einhundertsiebenundachtzigtausendachthundertachtundachtzig! - in Finnland. Und wie bestellt hört der Regen auf. Wir fahren durch eine Schärenlandschaft im Miniformat, mit kleinen, bunten Holzhäusern, die zum Teil auch stattlich ausfallen, auf den kleinen Inseln. In Finnland gehört der Besitz eines solchen Häuschens zum Lebensgefühl und hier finden dann die feucht-fröhlichen Sausen statt, finnisches Lebensgefühl! Nach dem Ortsrundgang in dem kleinen Städtchen mit dem Ende des 19. Jahrhundert errichteten Stadthaus geht es auf den 232 m hohen Hausberg, den „Puijo“. Mit einem imposanten 75 m hohen Aussichtsturm bietet er einen gigantischen Weitblick über die schier unendliche finnische Landschaft bietet.  Auf unserem Etappenziel angekommen, auch hier ist es trocken, überfallen uns die Mücken. Ich installiere mein Moskitonetz, um ihnen nicht ausgeliefert zu sein und kann mich beruhigt schlafen legen.

In die Polarregion: Von Lisalmi über Rovaniemi nach Inari

Heute soll`s zum Polarkreis gehen, dem Punkt, ab dem im Sommer die Sonne nicht untergeht und die sog. “weißen Nächte“ meinem Körper vorgaukeln, dass es später Nachmittag ist, die Uhr jedoch 2.30 Uhr zeigt. Echt schräg! Wir starten wie immer bereits um 8.00 Uhr, und schauen uns auf dem Weg das kleinste Rathaus der Welt an, dazu die Holzkirche in Kajaani an, dem Ort, der durch den Handel mit Holzteer für die britische Flotte zu Reichtum gelangte. Und dann ist er erreicht, der Polarkreis mit den Koordinaten 66° 32´ 35“ (tatsächlich ist das kein Fixpunkt, da, bedingt durch die sich verändernde Erdneigung, dieser Punkt 4 cm/Tag nach Norden wandert).  Das hielt die Gemeinde aber nicht davon ab, aus diesem Punkt, an dem der Weihnachtsmann sein Postamt hat, ein touristisches Disneyland zu machen. Unser Campingplatz liegt traumhaft an einem Fluss und alles strahlt in den schönsten Farben, die der Frühsommer zu bieten hat.

Immer weiter nach Norden fällt ein stark verbreiterter, schnurgerader Abschnitt der Autobahn auf: eine Landebahn für Flugzeuge mitten in der Wildnis. Die Vegetation verändert sich zusehends, die Bäume werden niedriger, der Bewuchs spärlicher. Waren bisher Kiefern die vorherrschenden Bäume, sind es nun die Birken, durch den ständigen Wind teilweise in groteske Formen gezwungen. Die Straße verläuft meist schnurgerade und passt sich der welligen Landschaft an: Ein Überbleibsel der letzten Eiszeit, die diese Landschaft geformt hat. Und auf einmal sind sie da: Rentiere! So nah, dass man sie fast anfassen kann. Seelenruhig wandern sie auf und neben der Straße und schauen uns, diese Horde von fotografierenden Zweibeinern, an.  Nur ein Elch will sich bisher nicht zeigen. Kein Wunder, meidet er doch die warmen Tageszeiten und ist i.d.R. in der Dämmerung unterwegs (welcher Dämmerung ?). Der Elch ist auch der Grund, warum sich jetzt am Fahrbahnrand durchgängig gelbe Bänder finden, die ihn am Überqueren der Straße hindern sollen.

Wir stoppen am „Siida“-Museum, dem Ort, an dem die samische Kultur dargestellt wird, jenem indigenen Volk der Sami, deren Vorfahren schon vor 10.000 Jahren die eisigen Regionen in Nordeuropa bewohnten. Und die, wie so viele der ursprünglichen Völker, durch den „modernen“ Menschen verdrängt, dezimiert, unterdrückt, ihrer Kultur und Lebensgrundlagen beraubt wurden. Die Frauen wurden zum Teil ohne ihr Wissen zwangssterilisiert, Kinder auf niedrigstem Niveau unterrichtet und die Verwendung der samischen Sprache in allen vier skandinavischen Ländern verboten. Man zwang die Samen zum Konvertieren zum christlichen Glauben, zerstörte ihre religiösen Stätten und heiligen Trommeln. Diese Umstände, verbunden mit dem radikalen Beschneiden der Weiderechte für die Rentierherden aufgrund wirtschaftlicher Interessen (Abbau von Eisenerz und Bau der Bahn zum Abtransport der gewonnen Rohstoffe), drängte viele Sami in immer elendere soziale Bedingungen. Selbst der Verkauf ihrer Rentierherden an Fremde in der Hoffnung auf das schnelle Geld, stellte sich durch den nicht gewohnten Umgang der Sami mit Geld als Sackgasse heraus, gaben sie doch ihr Geld für Autos und Alkohol aus. Bis heute ist der Alkoholmissbrauch ein dramatisches Problem unter den verbliebenen Sami. Kommt euch das irgendwie bekannt vor ? Ich fühle mich deprimiert, als wir unseren Campingplatz erreichen: Mitten in der Wildnis, Besitzer ist ein Sami mit dem Namen Hans. Er hat sich kurzerhand umbenannt, da er unter seinem samischen Namen kein Land kaufen kann.

Die Sonne scheint warm von einem wolkenlosen Himmel, um uns herum duftende Kiefern, nicht weit entfernt gurgelt ein Bach, eine leichte Brise fächelt durch die Birkenblätter, es ist still bis auf ein paar Vögel und es gibt nur 2, in Worten: zwei (!), Toiletten und Duschen. Für 30 Frauen…Abenteuer! Aber rückblickend war das der schönste Platz. Wir haben eine Niederländerin getroffen, die alleine bereits seit sieben Wochen mit ihrem kleinen Camper unterwegs ist und reden bis spät in die Nacht. Wir sitzen in einer Kota, in der Mitte brennt ein Holzfeuer, sprechen nicht dieselbe Sprache, aber verstehen uns. Meine Klamotten haben noch Tage später nach „Lagerfeuer“ gerochen. Schön.

Tipp: Campen - Jedermann Recht

Ja, es gibt hier gute Campingplätze in der Regel auch an idyllischen Orten. Was ich aber besonders sympathisch in Skandinavien finde: Es gilt das Jedermann-Recht, d.h. Ihr könnt überall Euer Zelt aufschlagen und in der Natur übernachten, sogar ein Lagerfeuer machen. Und das finde ich großartig!!

Bitte nehmt dabei immer Rücksicht auf die Natur:

  • Lasst kein Essen oder Müll liegen!
  • Löscht Lagerfeuer vollständig!
  • Verrichtet euer Geschäft, aber lasst kein Papier zurück!

So können auch die, die nach Euch kommen, ihr „unberührtes“ Stück Wildnis erleben!

Von Inari nach Hammerfest bis ans Nordkap: Norwegen, endlich!

Heute endlich kommen wir nach Norwegen, ich freue mich auf dieses wilde Land !

Und es geht schon gut los mit dem Porsangerfjord, dem längsten Fjord in Nord-Norwegen, wow. Ich steige aus dem Bus und der Geruch von Meer schlägt mir mit einer steifen Brise entgegen. DAS ist Skandinavien, wie ich es mir vorgestellt habe. Zwei Rentiere stehen nicht weit weg, es herrscht kaum Verkehr. Der Fjord ist bekannt für seinen reichen Bestand an Großfischen mit Größen von 20 kg und mehr. An seinen Ufern begegnet uns auch erstmals eine Aquafarm, in der Lachse gezüchtet werden, da der Wildlachs aufgrund Überfischung und der Wassererwärmung nur noch spärlich zu finden ist. Bei den Aquafarmen sind die Norweger Weltfüher. In diesen Farmen gibt es Gegenstromanlagen, damit die Fische schwimmen. Gefüttert werden sie hauptsächlich mit Gemüsepellets. Die Farmen funktionieren vollautomatisch. Schon seit 12 Jahren ist es verboten, Antibiotika in der Fischzucht einzusetzen.

Tipp: Für Angler Selbstversorger aufgepasst: In Norwegen braucht man für das Angeln im Meer und im Fjord keinen Angelschein!

Die Anfahrt zum Nordkap ist lang und schmal. Irgendein Veranstalter meinte, er müßte hier hoch einen Ultramarathon veranstalten: an einer Straße, an der kaum zwei Busse aneinander vorbeikommen. Wie bescheuert muß man sein…

Die Gegend ist rauh, unwirtlich, kahl, es liegt noch viel Schnee, dabei liegt das Nordkap selbst gerade mal rund 300 m über dem Meeresspiegel. Die Sonne geht hier im Sommer für 2 ½ Monate nicht unter – im Winter bleibt es dafür aber eben solange dunkel. Ein riesiger Parkplatz erwartet uns und da wir noch in der Vorsaison unterwegs sind, ist er nur spärlich besetzt, wie das ganze Plateau. Dafür sind viele Camper da, die sich das Spektakel der Mitternachtssonne anschauen wollen und bereit sind, viel Geld für ihren Stellplatz zu bezahlen. Natürlich sind Motorradfahrer da. Für jeden Biker ein Traum, einmal mit Moped am Nordkap stehen. Ein paar Radfahrer haben es auch geschafft. Als passionierter Radfahrer sage ich „Hut ab“, das ist eine ganz schöne Rampe! Und natürlich die glücklichen Läufer nicht zu vergessen…! Und dann stehe ich selber am gefühlten Ende der Welt. Atemberaubend fällt das Plateau 300 m Richtung Meer ab, die Sonne scheint vom blauen Himmel, der Wind ist heftig und kalt, die Luft klar. Die Aussicht ist grandios.

Die Rückfahrt zieht sich endlos hin bis wir endlich Hammerfest erreichen, deren Slogan „nördlichste Stadt Europas“ lautet. Hammerfest begrüßt uns jedenfalls mit ergiebigem Regen, mit dem wir auch in den nächsten Tag starten.

Von Hammerfest gen Süden Richtung Alta

Norwegen – ein Traum aus zerklüfteten Fjorden

Wir verlassen das etwas trostlose Hammerfest und wieder sieht das Ufer des Altafjords aus, als hätten wir Ebbe. Die Tide ist hier mit 160 cm nicht besonders ausgeprägt, in Oslo sind es sogar nur 60 cm.

Aquafarmen ziehen an uns vorbei, der Himmel überlegt noch, ob er die Sonne durchlassen soll. Es ist frisch, ich bin, nicht das erste Mal, froh um meine Daunenjacke und die Wanderschuhe. Die Strecke führt uns durch ein weitläufiges Tal, in dem anfangs verstreut Holzhäuser stehen, Sommerhäuser reicher Großstadtbewohner. Die niedrigen Birken stehen weit auseinander, sind schwarz und kahl, Folgen sowohl von Frostbrand, als auch einem Parasiten, dem Birkenspinner. Frostbrand entsteht durch die eiskalten Winde, die einen Großteil des Jahres durch diese Täler fegen und die Birkenrinde verfärben, ihr jedoch nicht so weit schaden, dass sie sich nicht mehr erholt. Ganz anders der Birkenspinner, der die Blätter der befallenen Bäume radikal abfrisst. Sieht gespenstisch aus. Auch das ist Natur, nicht immer freundlich.

Das Tal endet in einem kahlen Hochland, der Sennalandet, dem Weidegebiet der Rentierherden der Sami. Ein Zaun, eher ein Alibi, den die Sami aufstellen und intakt halten müssen, um Rentiere von der Straße fernzuhalten, lässt sich erahnen. Dunkle Wolken ziehen über runde Kuppen, wir haben etwa 400 m über N.N. erreicht, Schneereste wechseln sich mit braunen Grassoden ab, Rentiere kommen keine in Sicht.  In den kleinen Hütten am Straßenrand wohnen im Herbst die Helfer der Sami, die bei den jährlichen Herdentrieben helfen. Entgegen der früheren Art des Viehtriebes mit Skiern und Hunden, kommen heute Motorschlitten und Helikopter zum Einsatz.

Über eine gewundene Straße, deren Ränder von Kiefern gesäumt ist und bedeckt von einem bleigrauen Himmel erreichen wir Alta. Alta beheimatet ein Museum mit Petroglyphen, in Stein geritzte Zeichen und Bilder, die bis zu 6000 Jahr alt sind und von der frühen Besiedlung dieser Region berichten.  Deutlich neueren Datums ist die architektonisch außergewöhnliche „Nordlichtkathedrale“, die als Gegenstück zur „Eismeerkathedrale“ in Tromsö erbaut wurde.

Am heutigen Campingplatz angekommen, machen wir uns nach den vielen Fahrtkilometern erst mal zu Fuß los, die Gegend erkunden und anzukommen. Wir landen am Ende in einem Sami-Lokal und, um alle Klischees zu bedienen, kommen uns zwei ziemlich betrunkene Männer in Sami-Tracht entgegen…

Für Geschichtsinteressierte: Im Altafjord war während des 2. Weltkrieges die deutsche Kriegsmarine stationiert inkl. des Schlachtschiffes „Tirpitz“, bis heute das größte jemals in Europa fertiggestellte Schlachtschiff. Sie wurde im Februar 1941 in Dienst gestellt und hat nur wenige aktive Operationen unternommen, hatte sie doch bereits durch ihre Präsenz eine abschreckende Wirkung. Im September 1944 wurde sie durch einen britischen Luftangriff so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr einsetzbar war, konnte jedoch noch als schwimmende Küstenbatterie verwendet werden. Nach Kriegsende schlachteten die Briten das Wrack aus, Bergungsversuche scheiterten. Heute ist sie ein begehrtes Ziel von Tauchern. Seit 2014 steht sie unter Denkmalschutz.

Alta Aussichtspunkte und Fjorde ohne Ende

Am Langfjord entlang, die Sonne scheint von einem blauen Himmel, der mit kleinen Wolken gespickt ist und das Wasser immer wieder anders aussehen lässt. Wieder sind die Farben, die die Natur anbietet, unglaublich intensiv. Fischfarmen sind erneut unsere Begleiter. Auch bevölkern Schafe den Fjordsaum. Selbst Rentiere sind nicht selten. Beide wissen durchaus die Wärme des Asphalts der Straßen zu schätzen und müssen schon mal mit ein bisschen Nachdruck zum Aufstehen und Verlassen der Fahrbahn animiert werden. Die Rentiere sehen ein wenig gerupft aus. Sie verlieren ihr Winterfell und das nachwachsende Fell wird sie im kommenden Winter warmhalten. Ihr Fleisch ist nach dem überstandenen Winter wertlos.

Direkt an der E6, einer der Hauptdurchgangsstraßen liegt der Aussichtspunkte Gildetun auf 412 m N.N. und bietet einen weiteren, fantastischen Aussichtpunkt mit weitem Blick über den Kvaenangenfjord, die umliegenden Berge mit dem Oksfjordjökelen-Gletscher und dem arktischen Ozean: Blau in den unterschiedlichsten Schattierungen, dekorativer Küstennebel, im Vordergrund der Granit, aus dem dieses Land besteht, grün, braun, grau…

Zurück an den Fjord, fließt die Raissa, die für ihren Reichtum an Lachsen und Meerforellen geschätzt wird. Weiter am Lyngenfjord, die Berge auf der rechten Seite ragen 1.400-1.700 m in die Höhe. Das Auge weiß gar nicht wohin. Vom Balsfjord durch waldreiche Gebiete mit einer Fläche von 121.000 km² (ges. 385.000 km²), wovon ca. 600 km² noch nie gerodet wurden, rollen wir an einem Truppen-übungsplatz vorbei, uns begegnen Kolonnen mit Militärfahrzeugen aller Art und plötzlich holt mich die aktuelle Lage wieder ein, etwas, das bei den vielen Eindrücken, die meinen Kopf jeden Tag fluten, in den Hintergrund getreten ist.

Wir passieren Siedlungen inmitten des Nichts, wo die Gemeinden mit geringen Gewerbesteuern Betriebe anlocken und vom Autohaus bis zum Einkaufszentrum alles vorhanden ist. Eben nur kilometerweit weg von Allem. Irgendwann blicken wir auf den Ofotford und Narvik auf der gegenüber liegenden Uferseite. Der Ort entstand nach dem Bau der Ofotbanen, welche eine größere Nutzung der Erzvorkommen von Kiruna ermöglichte. Von Narvik aus wurde und wird dieses Eisenerz verschifft, da der Ort aufgrund des Golfstroms ganzjährig eisfrei ist. Vermutlich war dieser Umstand auch der Grund für den Einfall Nazi-Deutschlands, die die Rohstoffe für den Flugzeugbau benötigten. Das an der Straße stehende Kriegerdenkmal erinnert an diese dunklen Tage im Jahr 1940.

Über die Tjelsund-Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 41 m erreichen wir die Vesteralen, die kleine Schwester der Lofoten, eine Insel bestehend aus 600 Mio. Jahre altem Gestein. Es gibt reiche Kohlevorkommen, die Mitternachtssonne ist hier vom 19.05.-23.07. am Himmel zu beobachten. Rund um die Inselgruppe gibt es auch heute noch reiche Fischbestände (Kabeljau = Skrei, Schollen, Krabben, Dorsch, Lachs, Hering…), die Böden sind fruchtbar, aber Landwirtschaft oder Fischerei im Nebenerwerb finden kaum noch statt. Die früher riesigen Lachs- und Skreischwärme ziehen wg. der Wassererwärmung weiter nach Norden. Die Landschaft ist sanft, fast lieblich und vermutlich der Kontrast zum nächsten Highlight: den Lofoten.

Lofoten – Wilde Felsen im Meer

Wir setzen mit der Fähre zu den Lofoten über und die kurze Fahrt unter einem blauen, fast wolkenlosen Himmel mit dem inzwischen bekannten Küstennebel rückt die schroffen Felsen aus Granit, Gneis und Schiefer in ein dramatisches Licht. Einfach nur WOW! Kein Wunder, dass Künstler dieses Licht angezogen hat.  Heute sind viele von ihnen wegen des boomenden Tourismus auf die Vesteralen abgewandert…

Die Wasserversorgung wird auf den Lofoten, genauso wie auf den Vesteralen, mit Trinkwasser- speichern sichergestellt, da der Gesteinssockel des Untergrundes kein Grundwasser führt. Auch Festland-Norwegen hat ein großes Trinkwasserproblem, da die Winter zunehmend weniger Schnee bringen und das Frühjahr zu trocken ist. Unverständlich, wenn gefühlt alle 100 m ein Wasserfall von den schneebedeckten Fjells kommt.

Jede Kurve, die wir fahren, offenbart neue Blickwinkel, mal blinzelt dazu die Sonne, mal ist der Himmel grau mit weißen, fluffigen Wolken und die Landschaft verändert sich mit jeder Minute. Wir fahren in die inneren Lofoten auf die Hauptinsel Austvagöya, in denen durch hohe Berge geschützte Häuser und Orte liegen. Ansiedlungen auf der rauen Westseite der Inselgruppe waren armen Leuten vorbehalten. Die kleinen Häuser haben alle den gleichen Aufbau: Im Erdgeschoß finden sich Küche und die gute Stube, im Obergeschoß die Schlafzimmer, die meistens nur durch die Abwärme aus dem Erdgeschoß geheizt werden. Waren die Lofoten noch vor Jahrzehnten vollständig durch die damaligen Siedler abgeholzt, entstand durch Aufforstung und Erholung der Natur das heutige grüne Landschaftsbild. Verbreitert sind Stauwasserseen, die bei entsprechender Trockenheit austrocknen. Auffällig sind übrigens die großen Lampen entlang der schmalen, kurvenreichen Straße. Diese brennen im Winter 24 h, ebenso wie in Kindergärten, Büros usw., um den Menschen in den lichtarmen Monaten das Leben leichter zu machen.

Zwischenstop in Hennigsvaer, dem Venedig der Lofoten. Ein hübsches, kleines Fischerdorf, ist nicht nur bei Touristen beliebt, sondern auch bei Tauchern und Schnorchlern. Ich weiß nicht…  Wir bewegen uns noch in der Vorsaison und es gibt schon jetzt kaum einen Parkplatz. Der Ort ist nicht für den Tourismus gemacht und die Einwohner sollten sich unbedingt überlegen, wie sie das auf lange Sicht regeln wollen. Dank der recht neuen Schnellverbindung „Lofast“, einer 51 km langen gut ausgebauten Straße legen wir den Weg zu unserem heutigen Campingplatz in Fauske, berühmt für seinen Marmor, in kurzer Zeit zurück. Dabei kommen wir an einer Alu-Hütte vorbei, die Silizium mit einem Reinheitsgehalt von 96-99 % abbaut, einem Element, das bei der Produktion von PV-Paneelen, Halbleitern und Mikrochips benötigt wird.

Lofoten - Immer wieder toll! 

Auch auf meiner zweiten Tour durch Skandinavien, dieses Mal als Reiseleiter dieser fast 5.000 km langen Fahrt durch Finnland und Norwegen, kommen wir erneut auf die Lofoten und wieder bin ich hin und weg… Mit der Fähre geht es in Richtung dieser rauen, schroffen Inselwelt, die dieses Mal in allen Grüntönen leuchtet. Die Wolken lassen nur stellenweise Sonnen-licht durch. Dadurch wirken die Granitfelsen manchmal grau, dann wieder schwarz, dazwischen blitzen Schneereste, Wasser stürzt an vielen Stellen hinunter ins dunkelblaue Meer, die Fähre rollt leicht in der durch den starken und kalten Wind aufgewühlten See. Die Gipfel wirken abweisend und einladend zugleich und erzählen von ihrer Entstehungsgeschichte. So sind die jetzigen Formen zuletzt vor 420 bis 490 Mio. Jahren mit dem skandinavischen Hochgebirge aufgefaltet worden und bestehen hauptsächlich aus Granitgneisen und granitähnlichen Gesteinen. Die ältesten Gesteine lassen sich auf ca. 2900 Mio. Jahre datieren!

Kein Wunder, dass diese Formationen die Fantasie der Menschen angeregt haben und Künstler ihren Weg auf diese Inselgruppe gefunden haben.  Jede Kurve auf den schmalen Sträßchen offenbart einen neuen fantastischen Blick, und jede Biegung auf den Wanderwegen eröffnet eine noch schönere Sicht auf diese grandiose Landschaft. Die durchziehenden Wolken verändern immer wieder die Intensität des einfallenden Sonnenlichts, Schatten unterbrechen lichtdurchflutete Flächen. Die Vegetation ist übrigens recht üppig und es scheint, als wollte sie die kurze Zeit des Mittsommers bis zum Letzten ausschöpfen. Für Fotografen empfiehlt sich definitiv die Mitnahme einer zusätzlichen Powerbank, damit man auch das letzte Motiv im Kasten hat!

Kein Wunder, dass die Lofoten mittlerweile ein beliebtes Wanderziel sind. Es gibt recht gut beschilderte Wanderwege, und egal, welche Richtung man einschlägt, das eindrucksvolle Naturerlebnis ist garantiert! Und dann kommt noch ein eher überraschendes Highlight: Wir fahren ein Stück an der Westküste entlang und uns erwarten weiße Sandstrände und türkisfarbenes Wasser. Wenn ich nicht wüsste, dass wir uns im Norden von Europa befinden, könnte das glatt als Südsee durchgehen! Aber einen Fuß kurz in's Wasser (10 ° C) bringt mich flugs wieder zurück auf den richtigen Breitengrad.

Tromsö, Paris des Nordens

Ein hochtrabender Slogan…und so ganz genau weiß ich nicht, wo er herkommt, aber Fakt ist, dass ich Tromsö schnuggelig finde. Ist ein überschaubares Städtchen, als "Tor zur Arktis" war und ist es Ausgangspunkt vieler Polarexpeditionen und huldigt dem mit einem bemerkenswerten Polarmuseum. Hier finden sich viele originale Ausrüstungsgegenstände und Dinge des täglichen Lebens so mutiger Männer wie Fridtjof Nansen und Roald Amundsen. Ein äußerst spannendes Museum, für das man sich Zeit nehmen sollte; was haben diese Menschen mit heute unvorstellbar einfachen Mitteln geleistet, hauptsächlich mit Mut und dem   Drang nach Entdeckungen ausgestattet. Sie haben der Zivilisation den Rücken gekehrt und sich auf ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang eingelassen. Mal blauäugig, mal gut vorbereitet. Stellt euch vor, welche Hightech-Klamotten, Zelte und Schlafsäcke wir heute kaufen können, die   uns vor Schnee und Kälte schützen, Navis, die uns leiten, Computer, die Wettermodelle berechnen und, und, und… Alleine der Vergleich meiner Einkaufsliste für eine zivilisierte Reise in ein zivilsiertes Land lässt erahnen, was "Outdoor" damals und heute unterscheidet.

Aber zurück zu Tromsö, ein Tag in der Zivilisation. Natürlich ist auch hier der Verkauf von Souvenirs ein Thema. Immerhin legen nicht nur die „Hurtigruten“ im Hafen an.  Ich habe mir prima Kaffee und leckere Zimtschnecken bestellt, aber wie für fast alles in Norwegen gehen da auch schon mal 10,- € über den Tisch. Dafür kann ich aber auch am kleinen Hafen sitzen, dem Gezeter der Möwen zuhören, mir die Lungen mit Meeresgeruch vollsaugen. Dazu wehen Sprachfetzen von deutsch, französisch und englisch mit der steifen Brise herüber, der tiefblaue Himmel ist geschmückt mit weißen Wolken, es ist angenehm warm. So lässt es sich leben. Abends gehe ich auf den Hausberg von Tromsö, den Fjellheisen, um mir die Mitternachtssonne anzuschauen. Es fährt dort auch eine Gondel hinauf, aber ich brauche nach der vielen Sitzerei im Bus Bewegung. Nichts ahnend und gespannt auf die „Sherpa-Treppe“ geht`s los. Und kaum bin ich auf dem Weg, geht`s gleich mal steil nach oben. Daran schließen sich 1100 Stufen an, die bis auf Höhe der Gipfelstation der Gondel führen.

Oh ha !! Meine Muskeln freuen sich nach Wochen der Untätigkeit. Völlig verschwitzt komme ich dort an und werde mit einem unvergleichlichen Panorama belohnt, beschienen von der Mitternachtssonne (Bilder wurden zw. 22.30 und 0.00 Uhr aufgenommen). Was für ein bemerkenswertes Naturphänomen! Und dabei habe ich das beeindruckendste Himmelsspektakel, das Nordlicht, das den Winterhimmel durchsrtreift, noch gar nicht gesehen. Gerne würde ich im Winter zurückkommen, um in seinem Licht mit den Huskies durch den Schnee zu fahren.

Trauriger Abschied: Oslo und der Anschlag

Leider sterben die Verrückten nicht aus… Wieder wurde in Norwegen ein Anschlag verübt, mitten im bunten Treiben der Pride Week. Gerade vibrierte die Stadt noch vor Energie, war gefüllt mit fröhlichen Menschen und innerhalb eines Augenblicks ist das alles Makulatur. Ich bin am Sonntag in der Stadt, es sind viele Fremde da, aber es herrscht eine gespenstische Ruhe. Im Dom findet unter erheblichem Polizeieinsatz ein Gottesdienst statt und natürlich ist mindestens ein Mitglied des Königshauses zugegen, sowie Mitglieder der Regierung. Norwegen ist ein liberales, friedliches Land, dessen Einwohner ein ausgezeichnetes Bildungsniveau besitzen und ihren Kindern mit Beginn der Schulbildung die Wichtigkeit sozialer Strukturen vermitteln. Seit dem jetzt bereits 11 Jahre zurückliegende Anschlag von Utöya mit 77 ermordeten Jugendlichen durch einen rechtsradikalen Attentäter, scheint diese Nation dieses Trauma noch nicht verarbeitet zu haben. Es ist ein trauriger Abschluß, ein warmer, sonniger Tag in Oslo.

Bis bald, Eure Biggi


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